Imagery Rescripting Methode (für Klarträume und anderes)




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Imagery Rescripting Methode (für Klarträume und anderes)

Beitragvon kavah » Mo 27. Feb 2023, 15:32

Rescripting gegen Alpträume

Imagery Rescripting ist eine Methode, die im Kontext von Träumen v.a. in der Alptraumewältigung eingesetzt wird. Sie wird auch manchmal Imagery Rehearsal genannt, und funktioniert normalerweise zusammen mit einer Therapeutin, die das anleitet. Aber wir können das auch alleine!

Man geht also den Alptraum durch, schreibt ihn auf, und überlegt sich dann ein alternatives Ende, das sich besser anfühlt. Das muss noch nicht mal ganz am Ende sein, man kann sich verschiedene Optionen vorstellen wo es besser hätte laufen können, und schreibt dann eine alternative Version auf. Oder statt zu schreiben ist es auch oft eine Imagionationsübung, man stellt sich also den Traum vor, wie er besser gelaufen wäre. Das macht man u.U. mehrmals, bis einem das Endergebnis auch emotional gefällt und der Alptraum einen nicht mehr belastet. Die Methode funktioniert also einerseits in Retrospektive, d.h. man ist von den schon erlebten Alpträumen weniger geplagt. Aber sie funktioniert auch inkubativ, d.h. wenn man das mehrmals durchführt, sollten die Träume, insbesondere die Alpträume darauf reagieren: Man handelt in ihnen anders, fühlt sich in ihnen stärker, usw.

Rescripting für Klarträume und Inkubation

Nun kann man das Prinzip aber auch auf jeden anderen Traum anwenden. Man kann sich z.B. vorstellen, an welcher Stelle man luzid geworden wäre und wie es dann hätte weitergehen können. Genauso wie im Klartraum gibt es dann die Möglichkeit, dass man im alternativen Traum entweder was komplett anderes macht (irgend ein Ziel das man halt vorher hatte) oder man ändert nur Teile des vorgegebenen Traums, sozusagen, um ihn interessanter oder emotional positiver oder therapeutisch ergiebier zu gestalten. Dann schreibt man diese alternative Version auf oder geht sie in der Imagination durch und kann sie natürlich auch immer wieder abändern, bis sie einem gefällt.

Das ganze geht auch für Trauminkubation, bei der man nicht luzid wird, sondern einfach so seine Wünsche direkt inkbuiert. Oder man kombiniert die Alptraumbewältigung mit der Klartrauminkubation.

Rescripting bei Trauma, Ängsten usw.

Rescripting hat aber noch mehr Potenzial. Es wird auch bei Traumabewältigung und Triggern von angstbesetzten oder sucht-triggernden Situationen eingesetzt und in dem Fall dann nicht nur mit Traumbildern, sondern allen möglichen Erinnerungen - oft auch unter Hypnose. Man stellt sich also eine belastende Situation vor, erlebt diese nach, und malt sich einen alternativen Umgang damit aus, z.B. indem ein starkes, weises, erwachsenes Selbst eingreift und das kindliche, schwache Selbst unterstützt. Man geht z.B. diese veränderten Vorstellungen mehrmals durch und ändert dann die Perspektive: Anfangs aus Perspektive des starken Selbst, später aus der des schwachen Selbst, das unterstützt wird, dann vielleicht aus einer Perspektive, in der das schwache Selbst stärker geworden ist.

Dabei geht es aber nicht darum, sich die Vergangenheit schön zu reden, sondern vielmehr, ihren Einfluss auf die Gegenwart abzumildern. Sich alternative Erinnerungen vorzustellen bedeutet nicht Realitätsverlust, denn man weiß weiterhin, dass die Realität schlimm war. Es verfolgt eher den Zweck, dass man ein Gefühl dafür bekommt, was einem zusteht, und wie man sich jetzt in ähnlichen Situationen gerne verhalten würde - und auch verhalten kann, denn man ist jetzt ja in einer anderen Lage. Darum halte ich Rescriptings v.a. dann für sinnvoll, wenn sie mehr auf der realistischen Ebene ablaufen. Trotzdem ist es nicht schlimm, wenn man sich auch unrealistische, fantastische Lösungen ausdenkt. Denn auch die kann symbolisch/emotional ja hilfreich sein. so blockiert die Methode auch das Aufkommen von Intrusionen, also Bildern und Erinnerungen die ungefragt einfach hochkommen und belasten.

Rescripting als kreatives Tool

Noch ein Anwendungsgebiet ist die Kreativität, insbesondere das literarische Schreiben. In der letzten Zeit schreibe ich viel und nehme meine Träume dafür als Inspirationsquelle. Gleichzeitig mache ich es mit dem Hintergedanken, dass meine Träume dadurch wiederum beeinflusst werden. Das Schreiben ist sehr ergiebig, aber ich habe schnell gemerkt, dass Träume und Traumelemente sich meistens nur für Kurzgeschichtenformate eignen. Sie sind ja sehr schnellebig, ihre Elemente wirken oft zusammenhangslos. Das kann schnell nerven, der Faden fehlt, wenn man einen Roman daraus machen wollte. Jedenfalls bei den meisten Träumen - es gibt ja schon auch welche, die von Anfang bis Ende etwas konsistenter sind. Außerdem passt natürlich nicht jeder Traum thematisch, inhaltlich zueinander. Wenn ich mir jetzt eine Geschichte und eine Welt ausgedacht habe, in der es keine Magie gibt, kann ich nicht die Träume einfach mit einfließen lassen, die auf magischen Fähigkeiten basieren. Auch die Charaktere möchte ich nicht random immer wieder ändern. D.h. ich versuche, Konsistenz reinzubauen, indem ich die Träume umschreibe oder sie nur als Inspiration für eine Szene oder ein Kapitel betrachte. Dennoch ist wohl festzustellen, dass sich Träume v.a. für surreale Geschichten besonders eignen, und die mag ich ohnehin.

Da ich das Rescripting hier mit der Trauminkubation verbinde, hole ich meine Inspiration nicht nur aus den Träumen, sondern auch aus den Positiv-Varianten meiner Träume, wie sie also hätten ausgehen können. Oft sind aber besonders die Träume für mich ergiebig, die ein wiederkehrendes Traumthema beinhalten. Ich nehme also mehrere Träume mit dem selben Thema (z.B. Träume im großen Gebäude, wo alles verwirrend ist, oder Verfolgungsträume, etc.) und die haben ja nicht nur etwas unterschiedliche Settings und Charaktere, aus denen ich mich bedienen kann, je nachdem was gut passt, sondern auch unterschiedliche Tones: Also sie gehen eher gut oder schlecht aus. So ergibt sich eine Art von Heldenreise bzw. Charakterentwicklung für die Geschichte: Es könnte beginnen mit einem Traum, der eher nervig oder negativ ist, vllt sogar einer Situation aus einem Alptraum. Dann gibt es trial and error Zyklen, verschiedene Wege werden ausprobiert, wie die Situation gelöst werden kann, bis hin zu dem positiveren Ende, das dann irgendwann erreicht wurde. Um das so schreiben zu können, muss der Traum natürlich auch langgezogen werden und wenn es aus mehreren Träumen als Inspirationsquelle besteht, müssen diese soweit umgeschrieben werden, dass sie ein organisches Ganzes ergeben.

Rescripting als Traumanalyse

Während ich die Träume so umschreibe, frage ich mich: Wie könnte eine Geschichte aufgebaut sein, wenn das ganze nicht nur als Kurzgeschichte Sinn macht, sondern z.B. als Epos? Die Frage ist deshalb faszinierend, weil dadurch ein neuer Part der Rescripting Methode freigelegt wird: eine von mir zunächst unbeabsichtigte Traumanalyse. Ich habe bemerkt, dass ich durch solche Überlegungen die Symbole der Träume übersetzen muss. Z.B.: Ich träume davon, in einem Auto mitzufahren, der Fahrer rast durch die Kurven und es ist sehr brenzlig, aber ich kann als Beifahrerin nicht eingreifen. Fast überfährt er sogar jemanden. Wie lässt sich das in einer größere Story übersetzen? Vielleicht auf der Ebene, dass die Hauptperson keine Kontrolle über ihr Leben hat. Jemand anderes lenkt das Leben, gibt die Geschwindigkeit vor, mit der Dinge passieren und es kommen dabei andere Leute, oder vielleicht andere Interessen und Gefühle, fast unter die Räder. Schon ist der Traum gedeutet. :D Naja, zumindest eine Deutungsmöglichkeit ist gefunden. Und einen interessanten Plot kann man daraus auch machen. Fehlt halt noch der konkrete Inhalt, evtl könnte man das sogar mit dem Autothema irgendwie einbauen, als wiederkehrende Symbolik innerhalb der Geschichte, die sich nach und nach verändert.

Deshalb ist auch die Arbeit mit den wiederkehrenden Träumen so interessant bei der Methode. Man erkennt zum Einen überhaupt erstmal wiederkehrende Elemente. Aber sie eignen sich auch besonders für das kreative Schreiben, da sie ja schon verschiedene Handlungsoptionen in einer ungefähr gleichen Situation präsentieren, die man alle verwenden kann. Und dabei lässt sich dann auch analytisch fragen, unter welchen (z.B. emotionalen, aber auch lebensweltlichen) Bedingungen denn eher die Flucht- und unter welchen Bedingungen die Kampf-Reaktion kommt. Wann ist das kämpfen krampfhaft, wann läuft es wie im Flow? Wie lässt sich das wiederum auf eine halbwegs realistische Geschichte übertragen, wie müssen da die Bedingungen sein, damit es gut läuft? Alles Fragen, die nicht nur fürs Geschichteschreiben oder für meine Träume interessant sind, sondern auch für mein eigenes Leben.

Und damit zum letzten Aspekt: es macht einfach Spaß!
Macht Rescripting!
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